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Seeing the Unseen: Landschaften bei Nacht

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Da strahlt der Vollmond in der Nacht. Die Sterne ziehen Spuren und Meeresgischt löst sich in feinem Nebel auf. Wie Landschaftsfotografie bei Nacht geht, zeigt uns das Buch “Seeing the Unseen”.

© Alister Benn - aus: Seeing the Unseen

© Alister Benn - aus: Seeing the Unseen

Ja, die Nacht hält viele Ungesehenes bereit. Aber wie die Belichtung messen, wie die Sterne scharf kriegen (oder eben nicht), wie das Mondlicht bewusst einsetzen? Das alles erzählt uns Alister Benn in seinem Buch.

Das Buch gibt es als E-Book, ist also am Bildschirm zu lesen als PDF (für den iPad eingerichtet) oder auf Amazons Kindle. Dass der Text in weißer Schrift auf schwarzem Grund wiedergegeben ist, macht die Lesbarkeit nicht einfacher und außerdem ist es in englischer Sprache verfasst. Aber ich kenne kein vergleichbares Buch, das uns systematisch in das schwierige Fotografieren bei Nacht einführt. Es füllt diese Lücke und lohnt deshalb jede Mühe.

Titelbild Seeing the Unseen

Titelbild Seeing the Unseen

Der Schotte Alister Benn ist eigentlich Finanzfachmann, aber inzwischen ist die Fotografie vom Hobby zur Profession geworden. Als er im dämmrigen Regenwald Vögel fotografieren wollte, war Benn das erste Mal mit dem Thema des verfügbaren Lichts – available Light – konfrontiert. Über die Jahre wurde die nächtliche Landschaftsfotografie zu seiner Leidenschaft. In dem Buch gibt er seinen handwerklichen Erfahrungsschatz weiter.

Die Nacht ist dunkel, aber nicht pechschwarz. Das ist das erste, das uns Alister Benn vermitteln will: Es geht immer um das verfügbare Licht, das vom noch schwach leuchtenden Horizont kommen kann, vom Widerschein künstlichen Lichts, von Lightpainting oder vom Schimmer des Mondes auf einem See. Zur Nachtfotografie zählt Benn auch schon die Dämmerstunden, die blaue Stunde nach Sonnenuntergang oder die Minuten vor ihrem Aufgang mit ihren jeweils eigenen Charakteristiken.

Mondkalender - Seite aus Seeing the Unseen

Mondkalender - Seite aus Seeing the Unseen

Seine primäre Lichtquelle in der Nacht aber ist der Mond. Er teilt die vier Mondphasen in ihre verschiedenen Möglichkeiten für die Fotografie ein. So ist es klar, dass bei Vollmond am meisten Licht verfügbar ist. Aber wusstet Ihr, dass sich die erste Woche des Mondzyklusses – also von Neumond bis zum ersten Viertel – ganz besonders für lange Sternspuren eignet? Und dass wir in der dritten Woche lieber am frühen Morgen aufbrechen, weil der Mond dann viel später aufgeht? Und in jeder Mondphase gibt es andere Lichtfarben.

Der Nachtfotograf sollte sich also, legt uns Alister Benn ans Herz, mit solchen Konstanten eingehend beschäftigen und seine Aktivitäten entsprechend einrichten. Auch zum Beispiel für die Dämmerungszeiten, die je nach Jahreszeit und Breitengrad anders ausfallen, gibt uns Benn Hinweise auf Berechnungsmethoden. Und – um präpariert zu sein – sollten wir uns selbstredend mit dem Wetter beschäftigen (Wolken vor dem Mond kommen nicht so gut; Wind rüttelt am Stativ). Oder mit den Gezeiten, wenn wir am Meer sind. Bevor wir nachts im Wald herumstolpern, sollten wir uns bei Tageslicht mit dem Gelände vertraut machen, wie es jeder Pfadfinder lernt. Benn nennt das die “Wissenschaft von der Vorbereitung” und fordert den “proaktiven” Fotografen statt des “reaktiven”.

© Alister Benn - aus: Seeing the Unseen

© Alister Benn - aus: Seeing the Unseen

Und wie belichten wir in der Dunkelheit, wenn alle Belichtungsmesser versagen? Hier haben die digitalen Kameras den klaren Vorteil: die Histogramm-Anzeige (die auch am Tag eine ziemlich gute Methode ist). Alister Benn empfiehlt den “High ISO Test Shot”. Das sich daraus ergebende Histogramm ermöglicht uns die Berechnung einer korrekten Belichtung. Ein wenig Kopfrechnen mit den drei Parametern Belichtungszeit, Blende und ISO-Empfindlichkeit verhilft zur besten Kombination.  Unterbelichtungen sind übrigens der meist verbreitete Fehler dabei (verbunden dann mit hohem Bildrauschen), weiß Benn.

Wie stellen wir die Szene scharf? Scheint der Mond über einem Landschaftspanorama, ist das relativ einfach: Der Mond hat die Schärfeeinstellung unendlich. Schwieriger wird’s mit Aufnahmen, die nicht unbedingt bis ins Unendliche reichen, sondern eine begrenzte Schärfentiefe haben. Hier kommt die gute, alte hyperfokale Schärfenberechnung ins Spiel. Für die benutzen wir heutzutage am besten ein Berechnungs-App, denn die früher üblichen Markierungen auf dem Objektiven fehlen meistens. Wenn der hyperfokale Punkt ein paar Meter weg liegt, darf sich ein Assistent mit Lampe dort platzieren und wir stellen auf dieses Licht scharf, schreibt Alister Benn.

Wie kriegen wir die Sterne scharf? Dafür stellt uns Benn eine “500er-Regel” vor: 500 geteilt durch die Brennweite ergibt einen (guten) Richtwert für die maximale Belichtungszeit, der je nach Größe der Sterne und Blickwinkel zum Himmel dennoch abweichen kann.

Selbstverständlich nimmt Alister Benn seine Bilder im Raw-Fornat auf, weil das die besten Negativ-Daten abgibt. Gerade bei Mehrfachbelichtungen, die wegen des oft hohen Dynamikumfangs notwendig sind, ist eine gute Datenbasis angesagt. Ausführliche Kapitel widmet Alister Benn den Techniken der Einzel- wie Mehrfachbelichtungen und zum Beispiel zum Einsatz von Graufiltern.

Nach all der Theorie gibt uns Alister Benn einige “Feldstudien”. Das heißt, er beschreibt in drei verschiedenen Situationen, wie er draußen vor dem Motiv vorgeht: in der blauen Stunde, in dunkler und in heller Nacht, jeweils mit Einzel- und Mehrfachbelichtungen.

© Alister Benn - aus: Seeing the Unseen

© Alister Benn - aus: Seeing the Unseen

Am Ende des Buches stellt Alister Benn Methoden vor, wie wir im Dunkeln überhaupt unsere Komposition einrichten. Neben dem Ausschnitt und den grafischen Richtlinien umfasst das auch die vorherige Visualisation von dem, was nach langer Belichtungszeit dabei herauskommen könnte. Diese “nächtliche Visualisation” ist für ihn die “wirkliche Kunst” an der ganzen Sache, so schreibt er. Denn es entsteht eine Bildwirklichkeit, die mit dem Dokumentarischen nur bedingt etwas zu tun hat. Es geht also neben der Technik und dem Handwerk immer um das, was der Fotograf (künstlerisch) ausdrücken möchte.

Das Buch ist wirklich randvoll mit diesem Erfahrungswissen, mit Tipps und Regeln. Es kostet 15 US-Dollar und wir bekommen es auf Alister Benns Website Harvesting Light, die Kindle-Ausgabe Seeing the Unseen (Affiliate-Link) bei Amazon. Es gibt auch ein Forum, wo Fragen beantwortet werden und sich die Enthusiasten der nächtlichen Landschaftsfotografie untereinander austauschen. Klare Empfehlung.

Harvesting Light


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